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Zero Diversity im Vorstand – warum?

München (btn/Gastbeitrag von Dr. Katja Nagel, Gründerin und Inhaberin der Unternehmensberatung cetacea)Frauen in Führungspositionen sind eine Seltenheit. Die Gründe und was wir tun können, damit es sich ändert.

Laut einer aktuellen Studie der FidAr (Frauen in die Aufsichtsräte e.V.) hat fast die Hälfte der großen börsennotierten Unternehmen keine Frau im Unternehmensvorstand und plant auch keine Veränderungen. Bereits in einer 2019 erschienenen Studie kam DIE ZEIT zu dem Schluss, dass nur „9 % aller Vorstandsmitglieder im DAX, MDAX und SDAX weiblich sind: unter ihren 160 CEOs waren Stand Juli 2019 nur drei Frauen.“ Einer weiteren Studie der KfW Bankengruppe aus dem Jahr 2019 zufolge, fällt der „Frauenanteil tendenziell umso geringer aus, je höher die Führungsposition und je größer das Unternehmen.“ Und eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) kommt zu dem Schluss, dass „der Frauenanteil in Führungspositionen seit 2016 in Deutschland unverändert bei 26 Prozent liegt. Auch das Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen zeigt bis dato keinen Effekt auf den Frauenanteil in obersten Führungspositionen. Obwohl dieses Gesetz Unternehmen, die entweder börsennotiert oder mitbestimmt sind verpflichtet, Zielgrößen zur Erhöhung des Frauenanteils in Aufsichtsräten, Vorständen und obersten Management-Ebenen festzulegen. Über die Zielgrößen und deren Erreichung müssen sie öffentlich berichten.“

Nun will die Regierung den Druck weiter erhöhen: Wer weiterhin ohne Frauen im obersten Management plant, müsse laut Bundesfrauenministerin Franziska Giffey mit Sanktionen rechnen. Aber woran liegt es, dass immer noch so wenige Frauen in Führungspositionen sind? Und dass trotz schrumpfender Bevölkerung, trotz Fachkräftemangel und trotz immer mehr fördernder Rahmenbedingungen, dem hohen Akademisierungsgrad der Frauen, Öffentlichkeitsarbeit und Augenmerk auf genau diesem Thema. Haben die deutschen Unternehmen ein Problem mit Frauen in Managementpositionen? Oder ist nicht klar, welche Vorteile Diversity auf Vorstandsebene mit sich bringen kann? Hier nun einige Antworten.

Macht und Führung vielfach männlich

Wir sprechen seit Jahren darüber: Mehr Frauen sollen in Führungspositionen. Das geht inzwischen sogar so weit, dass bei gleicher Qualifikation Frauen bevorzugt werden könnten. Wer hätte gedacht, dass sich das mal umdreht in Deutschland? Aber trotz aller Bemühungen haben wir immer noch vergleichsweise wenige Frauen in Führungspositionen. Das hat im Wesentlichen mit vier Spielern auf dem Spielfeld zu tun: unserer Gesellschaft, der Organisation, den Einstellenden und den Bewerberinnen selbst.

Blicken wir zunächst auf unsere deutsche Gesellschaft bzw. unsere Rollenbilder: Macht und Führung sind vielfach noch männlich verortet, haben mit Kampf und Dominanz zu tun. Damit wird Männern unbewusst diese Rolle eher zugeschrieben als Frauen. Männer, die sich Macht nehmen sind ganze Kerle und ehrgeizig. Frauen, die sich Macht nehmen, sind – so die gängigen Vorurteile – sehr wahrscheinlich familiär nicht ausgelastet oder karrieresüchtig. Darüber hinaus schießen wir – und damit meine ich Männer und Frauen – seit einigen Jahren als Gesellschaft über das Ziel einer Ausgewogenheit weit hinaus, stilisieren Frauen zur neuen omnipotenten Führungskraft, stigmatisieren Männer und sorgen damit dafür, dass Männer sich als Verlierer fühlen und Frauen als Gewinner. Wenn aber Diversity zum Schlachtfeld der Emanzipation wird, gewinnen Gefühle und damit auch Vorurteile die Oberhand gegenüber einem weisen Einsatz von komplementären Teams, die sich schätzen um ihre Vielfalt. Teams bleiben ohne Diversity ganz sicher unter ihren Möglichkeiten in den Ideen, Konzepten und der Umsetzungsqualität – vom Spaß und der Freude miteinander ganz zu schweigen.

Rahmenbedingungen sind geschaffen, doch Vorurteile herrschen weiter vor

Die vorhandenen Rahmenbedingungen haben sich verbessert und bieten Frauen heute weit mehr als früher Karrieremöglichkeiten in Unternehmen und Unterstützung bei der Betreuung des Nachwuchses. Andererseits steigt der Anteil an Alleinerziehenden durch steigende Scheidungsraten und Frauen entscheiden sich dadurch womöglich vermehrt für die Sicherheit im Mittelmanagement statt der Exponiertheit und dem höheren Risiko der Top-Positionen, die ja auch mit weitaus unüberschaubarerem Risiko für die Arbeitszeiten und -orte (und damit für die Betreuung) verbunden sind.

Wenn wir jedoch auf die Unternehmen, ihre Organisation und ihre Kultur, ihre ungeschriebenen Regeln und Normen schauen, fällt auf, dass viele Unternehmen männlich geprägt sind bzw. große Anteile an Männern haben. Die unbewusste Suche nach Topkräften orientiert sich auch im Unternehmen selbst als Produkt seiner Gesellschaft in Richtung männlicher Topkräfte. Das Paradigma vom starken Mann und der weichen Frau lebt in den Köpfen der Organisation: Diese Vorurteile begleiten uns ganz unbewusst, prägen auch ganz unbewusst das Einstellungsverhalten, und das Recruiting auf Top-Level. Und vielen sind die Vorteile diverser Teams einfach nicht bewusst genug, schließlich sind sie bislang ja auch so gut klar gekommen.

Die einstellenden Aufsichtsräte, Top-Manager und Manager, also die Menschen, die Frauen einstellen würden, sind heute natürlich noch oftmals Männer. Und Männer stellen dann auch lieber ihresgleichen ein. Man versteht sich viel schneller auf Anhieb, solidarisiert sich unkomplizierter, ist schneller vertraut und hat eingeübte Rituale des Umgangs miteinander. Menschen stellen Menschen ein, die sie zu verstehen glauben und denen sie vertrauen wollen. Und unbewusst schwingt hier das Rollenbild von zu Hause auch noch mit.

Mangelndes Selbstvertrauen bei Bewerberinnen und fehlende Unterstützung

Viele Frauen trauen sich immer noch nicht genug zu. Auch bei ihnen ist das alte Rollenbild latent im Kopf, sie bewerben sich schlicht nicht auf Top-Positionen, sind vorsichtiger und risikoaverser, womöglich aber eben auch anders sozialisiert. Vielen Frauen fehlt es zudem an mutmachenden Vorbildern in Männerdomänen. Und an Mentoren, die sie fördern und unterstützen. Und die Frauen, die es geschafft haben, gefallen sich häufig in der Rolle des Unikats, bieten sich nicht an als Rollenvorbilder einer modernen Welt, sondern oftmals eher als einsame Amazonen und ziehen daher die jüngeren weiblichen Talente nicht nach, fördern und fordern nicht bewusst den weiblichen Nachwuchs. Und Frauen netzwerken unsicherer als Männer, was die Sache dann noch zusätzlich erschwert.

Insofern: Haben die deutschen Unternehmen ein Problem mit Frauen in Managementpositionen? Nein, deutsche Unternehmen haben kein Problem, sondern unsere Gesellschaft hat ein Problem, das sich in Unternehmen ebenso manifestiert wie bei den handelnden Akteuren auf beiden Seiten. Wenn wir etwas ändern wollen, müssen Frauen immer den Anfang bei sich selbst machen. Denn Verantwortung wird einem nicht geschenkt, Verantwortung nimmt man sich. In einer Welt der verteilten Machtverhältnisse wartet niemand auf zaghafte Frauen, die sich selbst erst noch finden müssen. Und erst wenn Frauen, unterstützt von den richtigen Rahmenbedingungen und einem grundsätzlichen gesellschaftlichen Konsens, dass sie ebenbürtige Kandidatinnen sind, die im Zusammenspiel mit ihren männlichen Kollegen durch Diversity für hochperformante Top-Teams sorgen, sich selbst vertrauen, die Rolle sich zutrauen, sie selbstverständlich und entspannt einfordern wie ihre männlichen Kollegen – am besten, ohne Männer zu imitieren in deren Habitus – dann erst sind wir angekommen am gesellschaftspolitischen Ziel.

Wir brauchen Männer und Frauen, die kraftvolle, souveräne und inspirierende Vorbilder in den Top-Etagen der deutschen Unternehmen sind. Die mit Andersartigkeit nicht nur umgehen können, sondern sie bewusst einsetzen zum Wohle und Erfolg ihres Unternehmens. Und als Gesellschaft müssen wir das Phänomen nachhaltig bei den Ursachen bekämpfen. Nicht mit Quoten, sondern mit Rahmenbedingungen und Unterstützung einer objektiven Einstellungspolitik, die keine Verlierer generiert, sondern Gewinner. Und als Bürger dieses Landes müssen wir gemeinsam für eine Versachlichung der Diskussion sorgen, zum Wohle und Erfolg unserer Gesellschaft.


Dr. Katja Nagel ist Gründerin und Inhaberin der cetacea (Bild: cetacea)

Über die Autorin: Dr. Katja Nagel ist Gründerin und Inhaberin der Unternehmensberatung cetacea aus München und berät in dieser Funktion Top-Manager in Krisenzeiten. Sie hat mehr als zwanzig Jahre Erfahrung in Unternehmen und Beratung, insbesondere in den Bereichen Unternehmensentwicklung, Strategie, Marketing und Kommunikation. Vor der Gründung von cetacea machte sie früh Karriere bei Siemens und der Telekom, wo sie als eine der wenigen Frauen auf exponierter Managementebene schnell weitreichende Verantwortung übernahm.

Jens Breimeier
Jens Breimeier
Jens Breimaier kümmerte sich im Business.today Network um Redaktion und Business Development. Er hat über 20 Jahre Erfahrung im Publishing- und Mediabusiness, u.a. Burda, Verlagsgruppe Milchstraße und Vibrant Media: "Ich arbeite mit Brands, Agenturen, Startups und Publishern im Online-Business und unterstütze sie beim Wachstum ihres Geschäfts sowie beim Aufbau von Know-How und Netzwerken. Meine Erfahrung als Business Developer und im Publishing, sowie bei der Umsetzung von komplexen Aufgabenstellungen geben mir eine fachliche Basis und Kompetenz, die ich weiter geben möchte."
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