Hamburg (btn/Gastbeitrag von www.ines-bruckschen.de, Expertin und Fachautorin zu den Themen New Work, Personalentwicklung, Recruiting und Karriere) – Mitarbeiter sollen zunehmend Verantwortung für sich und ihre Projekte übernehmen. Der Prozess kommt jedoch in vielen Unternehmen nur zögerlich in Gang. Dabei würde die richtige Feedback-Kultur entscheidend helfen – und gleichzeitig ein starkes Personalentwicklungsinstrument liefern.
„Toll, wie Sie die jungen Kollegen unterstützen. Ich würde mir allerdings etwas mehr Ideen und Initiative im Personalmarketing von Ihnen wünschen. Aber wie gesagt, sehr kollegiale Haltung, Chapeau.“ Kennen Sie das? Sie bekommen ein nach der Sandwich-Methode korrektes Feedback – erst Lob, dann Kritik als Ich-Botschaft, am Ende wieder Lob – und fühlen sich irgendwie … kritisiert? Und ratlos, was Sie damit jetzt anfangen sollen.
Damit sind Sie nicht allein, viele zucken bei der Ankündigung „gleich gibt’s Feedback“ innerlich zusammen und wappnen sich fürs Schlimmste. Eine Studie des Personaldienstleisters Randstad hat ergeben, dass sich 21% der Befragten unwohl fühlen, wenn sie Feedback vom Chef bekommen, 24% negative Bewertungen persönlich nehmen und 30% nicht wissen, wie sie auf Feedback reagieren sollen. Wahrscheinlich, weil sie längst wissen, was ihnen da untergejubelt werden soll: Auf ein Kompliment folgt die Klatsche.
Es gibt aber auch das Gegenteil, also Mitarbeiter, die Feedback ganz prima finden, weil sie die Kritik in der Mitte gar nicht wahrnehmen und nur das Lob außen herum hören. Sie denken: Läuft doch bei mir! So oder so findet keine gute Auseinandersetzung mit den Arbeitsinhalten statt, die Chance zur Weiterentwicklung ist vertan.
Was also dann? Ein paar aufschlussreiche Erkenntnisse liefert der neuseeländische Bildungsforscher John Hattie, der vor einiger Zeit über 800 Metaanalysen zu Einflussfaktoren auf den kognitiven Lernerfolg von Schülern untersucht hat. Heute werden seine Ergebnisse immer häufiger auch aufs Berufsleben übertragen. Was von der Hattie Studie im Zusammenhang mit dem Thema Feedback besonders spannend ist:
Lob kann Motivation senken
Wer wenig Selbstbewusstsein mitbringt, legt nach einem gut gemeinten überschwänglichen Lob oft ein Vermeidungsverhalten an den Tag und wählt als nächstes weniger anspruchsvolle Herausforderungen. Vermutlich, weil er fürchtet, die vorangegangene Leistung nicht wiederholen zu können, da zehrt er doch lieber noch eine Weile vom unerwarteten Erfolg. Auch ein Lob für Selbstverständlichkeiten kann irritieren. Vor allem, wenn andere für das Gleiche nicht gelobt werden. Traut man denen womöglich mehr zu?
Menschen mit einem guten Selbstwertgefühl empfinden dagegen ein pauschales Lob eher wie ein verbales Kopf-Tätscheln, das niemand braucht. Sollen wir also besser aufs Loben und Bestärken beim Feedback-Geben verzichten? Das ist auch keine Lösung, denn positive Rückmeldungen sind nach wie vor essentiell und werden von Mitarbeitern auch erwartet. Nur braucht es einen passenden Bezugsrahmen dazu. Oder, wie es in der Hattie-Studie heißt:
Lob motiviert vor allem dann, wenn Leistungen verbessert wurden
Es geht also um das Erfassen und Würdigen des Geleisteten in einer Form, die zur Persönlichkeit des Feedback-Empfängers passt, ihm Raum für weitere Entwicklung lässt und ihn motiviert, die Verantwortung für die Entwicklung zu übernehmen.
Das leicht angepasste Fünf-Stufen-Modell von Hattie eignet sich wunderbar für Feedback-Gespräche im Arbeitsalltag:
Feed Five: Die fünf Phasen des fragenden Feedbacks
1. Feed-Up | Ziel: Individuellen Bezugsrahmen bestimmen, Status quo festhalten
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2. Feed-Back | Ziel: Den bisherigen Weg zum Leistungsziel beleuchten
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3. Solution-Feed | Ziel: Neue Lösungsideen entwickeln, die man bisher nicht auf dem Schirm hatte
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4. Feed-Forward | Ziel: Vorgehen ableiten, konkrete Schritte planen
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5. Feed-Return | Ziel: Sinnvolles Unterstützungsangebot erfragen
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Wer möchte, dass seine Mitarbeiter mehr Selbstverantwortung übernehmen, kann das gut über eine wertschätzende und themenbezogene Feedback-Kultur nach diesem Modell erreichen. Der Aufwand lohne sich, sagt auch die erfolgreiche Jungunternehmerin Raffaela Rein. Sie habe zum Thema New Work eigentlich alles ausprobiert: flache Hierarchien, Selbst-Management oder die Offenlegung von Gehältern … Richtig Erfolg gebracht habe jedoch erst die richtige Feedback-Kultur. „Heute glaube ich, dass Feedback-Kultur eine der wichtigsten New-Work-Strategien ist.“
Autorin: Ines Bruckschen ist Expertin und Fachautorin zu den Themen New Work, Personalentwicklung, Recruiting und Karriere. Als zertifizierte Trainerin und Coach unterstützt sie Menschen und Organisationen bei der Entwicklung nachhaltiger Laufbahn- und Personalkonzepte für die Arbeitswelt 4.0.