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Jedes größere Unternehmen hat bereits Mitarbeitende mit Behinderungen – und weiß davon oft nichts

Ein Unternehmen fest in Familienhand: Christian Thielkes, Geschäftsführer des Caravan Center Bocholt, hat als Digital Leader die Prozesse des Unternehmens modernisiert. Rechts im Bild: Anna Maria Thielkes, Serviceleiterin des Caravan Center Bocholt (Bildrechte: Sage GmbH )

Wien/Karlsruhe (btn/himmelhochpr) – Rund 60 Prozent der beschäftigungspflichtigen Unternehmen in Deutschland zahlen jährlich eine Ausgleichsabgabe, um sich nicht mit der Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen befassen zu müssen. Nichtsdestotrotz sagt die Unternehmensberatung myAbility: Unsichtbare Behinderung ist in jedem Unternehmen bereits ein Thema. Wer sich nicht damit auseinandersetzt, ist langfristig wirtschaftlich weniger erfolgreich.

„Die meisten ArbeitgeberInnen kennen das Thema ‚unsichtbare Behinderungen‘ gar nicht“, sagt Julia Moser, Chief Culture Officer der Unternehmensberatung myAbility. „In Deutschland zahlen derzeit etwa 60 Prozent der beschäftigungspflichtigen Unternehmen eine jährliche Ausgleichsabgabe dafür, dass sie keine oder zu wenige Menschen mit Behinderungen einstellen. Ohne zu wissen, dass bei ihnen bereits Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen arbeiten. Die Beschäftigung mit diesem Thema geht also wirklich jedes größere Unternehmen etwas an.“

Das sagt alleine schon die Statistik. Rund 12,5 % der Bevölkerung haben eine amtlich bestätigte Behinderung. Hinzu kommen noch jene Menschen mit Behinderungen, die diese nie amtlich haben bestätigen lassen. Die Zahl steigt auch unter arbeitenden Menschen, unter anderem, weil der Anteil der älteren Mitarbeitenden insgesamt zunimmt. Fast jeder Dritte Erwachsene ist im Zeitraum eines Jahres von einer psychischen Erkrankung betroffen. Viele wagen es nicht, darüber zu sprechen. „Sie wollen nicht durch die Linse ihrer Behinderung gesehen werden und befürchten, dass sie z.B. für Beförderungen nicht mehr in Betracht gezogen werden, weil man ihnen weniger zutraut“, sagt Moser. Doch das Verstecken nimmt viel Energie in Anspruch.

Versteckte Behinderung kommt teuer

Das Problem: Wenn Mitarbeitende nicht sagen können, dass sie beispielsweise flexiblere Arbeitszeiten oder andere Veränderungen und Mittel brauchen könnten, um ihre beste Leistung zu liefern, dann leidet langfristig ihre Arbeit darunter. „Eine Weile kann das gut gehen. Wer Karriere macht, der ist gewöhnt, seine Behinderungen zu managen und arbeitet oft effizienter, als die KollegInnen. Aber wenn Stressoren hinzukommen, kann das auch kippen“, so die Expertin.

Es kommt zu Ausfällen. Wie z.B. bei Sandra, die eine schmerzhafte Erkrankung des Bewegungsapparates hat. Längere Zeit hat sie die Mittagspause genützt, um sich daheim auszuruhen. Ihre Anforderungen konnte sie nicht ansprechen und die Anstrengung wuchs. Jetzt muss sie häufiger Termine kurzfristig absagen und geht öfter in Krankenstand. Die KollegInnen müssen die Aufgaben übernehmen, ohne zu wissen, weshalb. Moser: „Wenn das Team nicht weiß, was hinter einem solchen Verhalten steckt, leidet die Teamleistung und die Stimmung verschlechtert sich. Solche Probleme kommen in vielen Unternehmen vor. Vorgesetzte erkennen aber nicht, wenn dahinter eine unsichtbare Behinderung steckt. Sie vermuten eher eine Demotivation oder private Probleme.“ Für Unternehmen resultiert das in höheren Krankenstandskosten, geringerer Produktivität und schlimmstenfalls höheren Personalkosten aufgrund von Fluktuation.

Moser: „Es ist besonders wichtig, dass ManagerInnen ein Bewusstsein für dieses Thema entwickeln. Letztlich geht es darum, eine inklusive Unternehmenskultur zu schaffen, damit Behinderungen nicht mehr versteckt werden müssen und solche Folgeprobleme nicht mehr entstehen.“

Was können Vorgesetzte tun?

  • Wenn es Leistungsprobleme gibt, deren Ursache unklar ist, könnte dahinter auch eine versteckte Behinderung oder Erkrankung liegen. Um den Raum für ein Gespräch zu öffnen, fragen Sie nach: „Gibt es etwas, das wir tun können, um Sie bei der Arbeit besser zu unterstützen?“ Und hören Sie dabei genau zu.
  • Gehen Sie so weit wie möglich auf individuelle Anforderungen wie etwa flexiblere Arbeitszeiten ein und ermöglichen Sie es, Hilfsmittel wie Spezialsoftware, orthopädische Sessel oder zusätzliche Monitore zu bestellen.
  • Signalisieren Sie eine offene Unternehmenskultur: Von der Gestaltung der Marketingmaterialien bis zur Barrierefreiheit der Website und der Einbindung von Gebärdensprachdolmetschung bei Unternehmensveranstaltungen. Das sind Signale, die bestehenden Mitarbeitenden wie auch interessierten Bewerbenden signalisieren, dass Sie bereit sind, auf deren individuellen Anforderungen einzugehen.
  • „Inklusion lohnt sich!“, sagt Julia Moser. „Wenn Mitarbeitende ihre beste Arbeitsleistung erbringen können, weil sie ihre Behinderungen oder chronische Erkrankungen nicht mehr verstecken müssen und weil man ihnen eine individuell optimale Arbeitsweise ermöglicht, wird auch das Unternehmen schlagkräftiger. Es schafft besseren Output und wird als ArbeitgeberIn attraktiver. Es ist damit für die Zukunft besser gerüstet.“

Über myAbility
myAbility ist eine soziale Unternehmensberatung, die Unternehmen hilft, die Potenziale von Menschen mit Behinderungen als KundInnen und MitarbeiterInnen zu nutzen. Gegründet wurde sie 2014. Gemeinsam mit den Unternehmen entwickeln sie Inklusionsstrategien – von DisAbility Management, Prozess- und Organisationsberatung bis hin zu Trainings und Usability Tests. Zudem betreibt myAbility mit dem myAbility Wirtschaftsforum ein bedeutendes B2B-Netzwerk, die inklusive Jobplattform myAbility.jobs und das myAbility Talent® Programm in Wien, Berlin, München, Frankfurt und Zürich. Das Unternehmen beschäftigt heute rund 30 MitarbeiterInnen. Zu den Referenzkunden in Deutschland gehören Siemens und ProSiebenSat. 1.

Louis Kuhnert
Louis Kuhnert
Louis ist seit Februar 2021 als Kampagnen- und Content-Manager bei Business.today Network tätig. Zuvor beendete er erfolgreich sein Journalismus-Studium und arbeitete u.a. für den Hamburger SV in der Medienabteilung.
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