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Stellensuche-Trends und Berufe der Zukunft: Karriere-Expertin Martina Glienke im Interview

Königstein im Taunus (btn/karriere tutor) – Durch die Digitalisierung und Globalisierung hat sich der Arbeitsmarkt stark gewandelt: Die Jobsuche ist teilweise anders als früher, die Anforderungen an Bewerber und Unternehmen ebenso. Was das für beide Seiten bedeutet, erläutert Martina Glienke, Expertin rund um Bildung und Personal und Leiterin des Bereichs Business Service & Career Management beim Online-Weiterbildungsanbieter karriere tutor®, im Interview.

Wie hat sich die Jobsuche in den vergangenen Jahren entwickelt?

Martina Glienke: Hier spielen mehrere Komponenten eine Rolle. Zunächst einmal gibt es heute eine Vielzahl an Jobbörsen und Karriereseiten, Bewerber müssen also online viele Stellenangebote durchforsten, bis sie das Richtige für sich finden. Die Bewerbung per Post gibt es in Ausnahmefällen noch, aber normalerweise läuft alles digital. Dann sind die Stellenangebote heute deutlich differenzierter. Es wird nach spezifischen Kenntnissen gefragt, Bewerber müssen zum Beispiel unternehmensspezifische IT-Kenntnisse mitbringen. Auch das Verfahren der Rekrutierung hat sich verändert. Unternehmen und auch Vermittlungsagenturen sind verstärkt in Social Media unterwegs, um das richtige Personal zu finden. Sie nutzen Messen, Netzwerke und Gruppen, um über neue Wege an geeignete Kandidaten heranzutreten. Denn zunehmend suchen nicht nur Bewerber nach Stellen, sondern auch Arbeitgeber unternehmen große Anstrengungen bei der Suche nach passenden Mitarbeitern. Dabei werden ganz neue Rekrutierungswege beschritten oder zum Beispiel neue Stellenbezeichnungen verwendet, nach denen Bewerber nicht unbedingt suchen.

Zum Beispiel?

Glienke: Da werden werbewirksame Bezeichnungen gewählt, um das Interesse zu wecken, beispielsweise „Weltverbesserer“ für Telefon-Fundraiser oder „Energiebündel“ für Berater im Energiebereich. Außerdem gibt es neue Tätigkeitsbezeichnungen, wie zum Beispiel den Fact Checker im Journalismus.

Wie hat sich das Bewerbungsverfahren geändert?

Glienke: Immer häufiger laufen Vorstellungsgespräche per Skype ab oder es werden als Kurzvorstellung zwei- bis dreiminütige Videos erbeten, um einen ersten Eindruck vom Kandidaten zu bekommen. Teilweise wird schon direkt im Online-Bewerber-Tool der „Cultural Fit“ der Bewerber abgefragt, um zu klären, ob sie überhaupt zum Unternehmen passen. Auch die Art der Kommunikation wird immer individueller – um die Kommunikation zu erleichtern, wird teilweise per WhatsApp kommuniziert. Insgesamt kann man sagen, dass alles schneller, spezieller und individueller geworden ist. Zudem werden Bewerbungsverfahren standardisierter und automatisierter. Bewerber müssen dabei wissen, dass ihre Lebensläufe automatisiert ausgelesen werden. Sind da nicht die richtigen Stichworte aufgeführt, werden gute Bewerber gar nicht erst gefunden.

Was erwarten Arbeitnehmer und Arbeitgeber jeweils voneinander? Wie ist da die Tendenz der vergangenen Jahre?

Glienke: Es ist alles schneller geworden, der Trend geht zum agilen Arbeiten. Die Arbeitgeber wollen Stellen schnell besetzen und nicht monatelang warten, bis der neue Mitarbeiter anfängt. Es geht den Arbeitgebern auch nicht mehr nur um die fachliche Kompetenz, Erfahrungen und Soft Skills, sondern zusätzlich noch um übergreifende Fähigkeiten: das Arbeiten mit bestimmten Tools oder Anwendungen, das Verständnis für übergeordnete Prozesse, Geschäftssinn, technisches Verständnis. All das wird immer mehr relevant. Auf der anderen Seite arbeiten viele Menschen heute nicht mehr nur zum Broterwerb. Die Arbeitsstelle muss zu den Lebenszielen passen. Das Thema Homeoffice ist nicht nur für Arbeitgeber interessant, sondern auch für Arbeitnehmer, die Beruf und Familie oder Lebensplanung besser in Einklang bringen möchten. Auch brauchen Arbeitnehmer immer mehr zusätzliche Anreize. Das haben Arbeitgeber recht gut verstanden: Früher wurde in Stellenanzeigen mit einem Dienstwagen oder Weihnachtsgeld geworben, das alleine zieht heute oft nicht mehr. Stattdessen sind Bewerbern Angebote wie Gesundheitsförderung, flexible Arbeitszeiten und Homeoffice, Mitarbeiter-Events oder Kinderbetreuung wichtiger geworden, dann noch positive Unternehmenswerte und ein Umweltbewusstsein.

Stichwort Berufe der Zukunft: Was wird in den kommenden Jahren gefragt sein und was nicht?

Glienke: Es wird immer weniger speziell physische Tätigkeiten geben, aber es werden auch sehr viele neue Berufe und Tätigkeiten entstehen. Dazu gibt es viele Studien und Prognosen. Um einige Beispiele zu nennen: Berufe wie Softwareentwickler für Künstliche Intelligenz, Roboter-Programmierer, App- und Game-Entwickler werden gefragt sein. Aber auch in anderen Bereichen entwickeln sich Berufe, etwa zum 3D-Druck-Experten, Data Strategist, Cyber Security Experten, Customer Experience Manager. Auch Online-Psychologen haben künftig gute Chancen, daneben Virtuelle Assistenten, Content Marketing Manager oder Spezialisten, die die Digitalisierung vorantreiben. Das sind nur einige Beispiele. Über die Technisierung hinaus beeinflussen zum Beispiel auch gesellschaftliche Herausforderungen und neue Arbeitsweisen die Entwicklung von Berufen. Da haben wir schon jetzt den Feel Good Manager, den Manager für Umwelt und Ressourcen oder den Corporate Sharing Manager. Auch die Tätigkeiten von Führungskräften ändern sich – nicht nur im Verständnis der Rolle in einer immer agileren Arbeitswelt, sondern auch hinsichtlich der Aufgaben, wie Steuerung virtueller Projektteams, Motivation und Vermittlung von Werten.

Sie sind bei karriere tutor® für den Karriereservice verantwortlich. Warum ist ein solcher Service wichtig?

Glienke: Die Veränderungen in der Arbeitswelt sind enorm. Durch die Digitalisierung ist alles sehr schnelllebig geworden und es gibt vieles, auf das sich Bewerber einstellen müssen. Nicht alle Stellen werden ausgeschrieben und nicht alles, was veröffentlicht wird, wird auch gefunden. Der Karriereservice von karriere tutor® verbindet Weiterbildungsberatung, Karriere-Coaching, Job- und Talentvermittlung sowie Recruiting miteinander und optimiert die gesamten Abläufe für die Digitalisierung. Wir beobachten den Markt und kennen die Berufe der Zukunft, die Ausrichtung und die Kompetenzen, die wichtig sind. Wir haben ein Netzwerk von Unternehmen und Personalagenturen, recherchieren jobbörsenübergreifend Stellenangebote, sind auf Messen und in Social Media präsent und kommen an zusätzliche Stellen heran. Unternehmen können wir helfen, den Bedarf an qualifiziertem Personal zu decken, und zwar durch Herstellen von Kontakten oder durch Qualifizierung des bestehenden Personals. Es geht hauptsächlich darum, auf beiden Seiten die Wege zu verkürzen und die richtigen Akteure des verdeckten Stellenmarktes zusammenzubringen. Auf Bewerberseite begleiten und unterstützen wir Menschen, damit sie ihre Karriere- und Lebensziele erreichen.

Wieso Lebensziele?

Glienke: Es geht nicht nur darum, den Traumjob zu finden. Der Traumjob muss heute auch zu den individuellen Zielen, Wünschen und zur Lebensplanung passen, aber auch zu den eigenen Wertevorstellungen. Eine berufliche Tätigkeit geht heute über den Erwerb des Lebensunterhalts weit hinaus. Deswegen wird das gesamte Thema Karriereservice noch viel mehr an Bedeutung gewinnen: Unternehmen suchen Spezialisten, die zu ihrer Unternehmenskultur und ihren Werten passen. Bewerber wollen auf der anderen Seite Arbeit, die zu ihren beruflichen Zielen und Lebensplänen passt. Es wird sehr differenziert sein – sowohl auf der Angebots- als auch auf der Nachfrageseite, weil es eben nicht nur um den Job selbst geht, sondern auch um Persönlichkeitsentwicklung, Selbstwert und individuelle Lebensvisionen. Und es geht auch um den passenden Job in einer bestimmten Lebensphase. Zunehmend wechseln sich Phasen unterschiedlicher Tätigkeiten mit Sabbaticals, Auslandsaufenthalten und Weiterbildungen ab.


Zur Person: Martina Glienke leitete als Expertin in den Bereichen Bildung und Personal diverse Geschäftsbereiche und Projekte. Sie berät Unternehmen und Bewerber unter anderem zu Personalauswahl und -entwicklung sowie zu Kompetenzfeststellung und -management. Bei der karriere tutor GmbH leitet sie den Bereich Business Service & Career Management.

Zu karriere tutor: Die 2015 gegründete karriere tutor GmbH mit Sitz in Königstein im Taunus ist Experte für Online-Weiterbildungen und Innovationsgeber im Bereich der beruflichen Weiterbildung. Das Unternehmen versteht sich als ganzheitlicher Begleiter auf dem Weg zu mehr Erfolg und Glück. Deshalb unterstützt es seine Kunden von der persönlichen Karriereberatung über die berufliche Weiterbildung bis hin zur Suche nach ihrem Traumjob.

 

Jens Breimeier
Jens Breimeier
Jens Breimaier kümmerte sich im Business.today Network um Redaktion und Business Development. Er hat über 20 Jahre Erfahrung im Publishing- und Mediabusiness, u.a. Burda, Verlagsgruppe Milchstraße und Vibrant Media: "Ich arbeite mit Brands, Agenturen, Startups und Publishern im Online-Business und unterstütze sie beim Wachstum ihres Geschäfts sowie beim Aufbau von Know-How und Netzwerken. Meine Erfahrung als Business Developer und im Publishing, sowie bei der Umsetzung von komplexen Aufgabenstellungen geben mir eine fachliche Basis und Kompetenz, die ich weiter geben möchte."
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