Die Zeiten des „Post and Pray“, das passive Schalten von Stellenanzeigen auf Jobbörsen, sind im Ringen um qualifizierte Fachkräfte endgültig vorbei.
Der Arbeitsmarkt hat sich gedreht: Hochqualifizierte Talente sind heute keine Bittsteller mehr, sondern umworbene „Kunden“ auf einem Anbietermarkt.
Für Personalleitungen bedeutet dies einen fundamentalen Paradigmenwechsel. Recruiting ist zu einer Disziplin geworden, die mehr mit strategischem Marketing und Vertrieb gemeinsam hat als mit der traditionellen Personalverwaltung. Das Spielfeld, auf dem dieser Wettbewerb um Talente (War for Talents) entschieden wird, sind die sozialen Medien. Doch wer hier nur Stellenanzeigen postet, hat das Spiel bereits verloren.
Der strategische Shift: Warum Jobbörsen nicht mehr reichen
Klassische Jobportale haben ein strukturelles Problem: Sie erreichen fast ausschließlich den aktiven Bewerbermarkt. Dieser ist jedoch klein und (besonders in MINT-Berufen, Pflege oder IT) hart umkämpft.
Soziale Netzwerke – von LinkedIn bis TikTok – sind hingegen „Always-on“-Plattformen. Hier halten sich die Talente auf, die Sie wirklich suchen: die Angestellten in Festanstellung, die leistungsstark, aber latent unzufrieden oder offen für den nächsten Karriereschritt sind.
Sie auf einer Jobbörse zu suchen, ist wie Fischen im leeren Teich. Sie im Alltag, auf LinkedIn, Instagram oder Facebook, zu erreichen, ist der Kern des modernen Recruitings, berichtet uns Anna Deimann von der Dortmunder Social Media Agentur AD Consulting GmbH.
Die zwei Motoren: Active Sourcing vs. Performance Recruiting
Um auf Social Media erfolgreich zu sein, benötigen Unternehmen zwei unterschiedliche, aber komplementäre Strategien.
1. Active Sourcing: Das Skalpell
Beim Active Sourcing identifizieren Ihre Recruiter:innen (oder spezialisierte Dienstleister) auf Plattformen wie LinkedIn oder XING manuell potenzielle Kandidat:innen. Sie treten proaktiv in einen personalisierten, wertschätzenden Dialog.
Dies ist der „chirurgische Eingriff“: Er ist zeitintensiv, erfordert hohes Fingerspitzengefühl und ist ideal für schwer zu besetzende Schlüsselpositionen und Nischen-Experten. Eine unpersönliche Massen-Ansprache („Copy & Paste“) verbrennt hier jedoch sofort das Ansehen des Unternehmens.
2. Performance Recruiting: Das breite Netz
Hier betreten wir das Feld des datengesteuerten Marketings. Performance Recruiting nutzt die Algorithmen der Plattformen (insbesondere Meta – Facebook/Instagram – und LinkedIn Ads), um Job-Anzeigen zielgerichtet an definierte Personas auszuspielen.
Sie targeten nicht nur nach „Beruf“, sondern nach Interessen, Region, aktuellem Arbeitgeber oder Demografie. Das Ziel ist nicht die direkte Konversation (wie beim Sourcing), sondern die Generierung eines „Leads“ – einer Kurzbewerbung über ein mobiles Formular. Diese Methode ist skalierbar und extrem effektiv für Positionen mit hohem Volumen, Ausbildungsplätze oder gewerbliche Mitarbeitende.
Employer Branding: Ohne Fundament kein Haus
Sie können die besten Sourcing-Strategien fahren, wenn das Talent Sie googelt (oder auf Instagram sucht) und nichts als eine leere Fassade findet, war die Mühe umsonst.
Social-Media-Recruiting funktioniert nur auf der Basis eines gelebten Employer Brandings. Kandidat:innen wollen heute wissen:
- Wie ist die Arbeitskultur wirklich?
- Wer sind meine zukünftigen Kolleg:innen?
- Welchen „Purpose“ (Sinn) verfolgt das Unternehmen?
Plattformen wie Instagram oder TikTok sind ideal für den „Blick hinter die Kulissen“. Zeigen Sie echte Mitarbeitende (Corporate Influencer), echte Projekte und eine echte Haltung. Authentizität schlägt Hochglanz.
Die Achillesferse: Die Candidate Journey
Der häufigste Fehler in der Praxis: Ein guter Social-Media-Auftritt trifft auf einen Bewerbungsprozess aus dem Jahr 2005.
Wenn ein Talent auf dem Smartphone eine Anzeige sieht, muss der Prozess „mobile-first“ sein. Wer einen Kandidaten nach einem Klick auf einen Social-Media-Post zwingt, sich am Desktop zu registrieren, ein 12-seitiges Formular auszufüllen und drei PDFs hochzuladen, verliert 90 % der Interessent:innen.
Moderne Prozesse nutzen „One-Click“-Bewerbungen, simple Kontaktformulare oder Chatbots. Der Lebenslauf kann später nachgereicht werden. Geschwindigkeit und Einfachheit sind entscheidend.
Fazit: Was Personalleitungen jetzt veranlassen sollten
Social-Media-Recruiting ist keine Option mehr, es ist eine Notwendigkeit. Als Personalleitung sollten Sie jetzt sicherstellen:
- Budget-Shift: Prüfen Sie die Ausgaben für traditionelle Jobbörsen und schichten Sie mutig Budgets in Richtung Performance Recruiting und Sourcing-Tools um.
- Verantwortung klären: Wer steuert die Kampagnen? Haben Ihre Recruiter:innen die Marketing-Kompetenz, oder muss das Marketing (oder eine Agentur) die HR unterstützen?
- Prozesse auditieren: Testen Sie Ihren eigenen Bewerbungsprozess auf dem Handy. Würden Sie sich so bewerben?
Der Wettbewerb um Talente wird nicht durch Warten gewonnen, sondern durch aktives Handeln auf den Plattformen, auf denen sich das Leben potenzieller Mitarbeitender abspielt.

